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Genitale Fehlbildungen bei Kindern und Jugendlichen

Genitale Fehlbildungen treten in der weiblichen Gesamtbevölkerung mit einer Häufigkeit von bis zu 5% auf. Fehlbildungen des äußeren Genitales werden meist schon im Kindesalter, vaginale Fehlbildungen oft erst in der Pubertät und uterine Fehlbildungen meistens erst in der reproduktiven Lebensphase festgestellt.

Vergrößerung oder Asymmetrie der Schamlippen (Labienhypertrophie-/asymmetrie)

Es bestehen viele Variationen in Größe und Form der Schamlippen. Häufig sind junge Mädchen verunsichert , ob ihr äußeres Genitale "normal" sei. Die Größe und Asymmetrie kann hier sehr unterschiedlich ausgeprägt sein: Die Übergänge zwischen Normalität und subjektiv empfundener Auffälligkeit sind fließend. Eine operative Korrektur ist nur in Ausnahmefällen notwendig. Z.B. wenn die jungen Frauen in ihren täglichen Aktivitäten (z.B. Fahrradfahren, Reiten) beeinträchtigt werden oder ein großer seelischer Leidensdruck besteht.

Hymenalpolyp

Hierbei handelt es sich um ein polypöses Hautanhängsel des Jungfernhäutchens (griech. Hymen).
Hymenalpolypen kommen meistens einzeln vor und können unterschiedlich groß sein (unter Umständen sogar mehrere Zentimeter groß!).
Bei kleinen Polypen bedarf es keiner Therapie, größere können operativ entfernt werden.

Anomalien des Hymens (Jungfernhäutchen)

Hymenalanomalien können unterschiedlich ausgeprägt sein und bestehen ohne höher gelegene Genitalanomalien. Beim Hymenalseptum ist der Eingang zur Scheide teilweise durch ein strangförmiges Septum geteilt.

Symptome können Schwierigkeiten bei Einführen und/oder Ausführen von Tampons oder beim Geschlechtsverkehr sein. Beim Hymen altus, bei dem die obere Hymenalbegrenzung unter Umständen bis zur Öffnung der Harnröhre reicht, kann Urin in die Scheide fließen. Dies kann gegebenenfalls zu rezidivierenden Infektionen des Urogenitaltraktes führen.
Die Therapie besteht in einer operativen Resektion (Entfernung) der Hymenalanomalie und eventueller Nachbehandlung mit salbengetränkten Tampons zur Unterstützung der Abheilung.

Hymenalatresie

Als Hymenalatresie wird der äußere Verschluss der Scheide durch ein nicht perforierbares Jungfernhäutchen bezeichnet. Es ist die häufigste Verschlussstörung bei normaler Uterus- und Scheidenanlage.

Bereits im Säuglingsalter kann ein Mukokolpos (Ansammlung von Schleim in der Scheide) wegweisend sein.

Nach Eintreten der Regelblutung kommt es zur Ansammlung von Menstruationsblut in der Scheide und bei später Diagnostik kann die Ansammlung bis in die Gebärmutter reichen, bis hin zur Stauung in die Eileiter und Rückfluss in den Bauch. Das Blut kann bei verschlossenen Hymen nicht abfließen.
Die Mädchen stellen sich entweder wegen nicht eintretender Regelblutung oder wegen rezidivierender Unterbauchschmerzen vor. Die Patientin wird auf Grund von nicht beginnender Regelblutung mit zyklisch rezidivierenden Unterbauchschmerzen vorstellig. Diese Fehlbildung wird operativ durch Exzision des Hymenalverschlusses korrigiert.

Vaginalseptum

Häufig ist das Vaginalseptum ein Zufallsbefund. Es trennt die Scheide entweder horizontal oder vertikal und kann sie komplett oder nur teilweise unterteilen. Wie bei Anomalien des Hymens können Symptome wie Schwierigkeiten beim Einführen und/oder Ausführen von Tampons oder beim Geschlechtsverkehr auftreten.

Sowohl beim horizontal als auch beim vertikal verlaufenden Scheidenseptum finden sich häufig auch zusätzlich Fehlbildungen der Gebärmutter, wie eine doppelte Anlage des Gebärmutterkörpers (Uterus bicornis) oder der gesamten Gebärmutter (Uterus didelphys).
Die Therapie des Vaginalseptums besteht in einer operativen Entfernung um eine normale Sexualentwicklung und eine spätere problemlose vaginale Entbindung zu gewährleisten.

Vaginalatresie/Vaginalaplasie

Bei der Vaginalatresie fehlt die Scheidenanlage, was sich klinisch durch das Ausbleiben der Monatsblutung ohne Unterbauchbeschwerden manifestiert.
Die Vaginalatresie tritt häufig in Kombination mit einer Uterusaplasie (Fehlen der Gebärmutter), z.B. dem Mayer-Rokitansky-Küster-Hauser Syndrom auf.
Daneben besteht eine fehlende oder ungenügend lange Scheidenanlage auch bei Mädchen mit kompletter Androgeninsensitivität (CAIS).

Beim Mayer-Rokitansky-Küster-Hauser Syndrom finden sich bei den betroffenen Mädchen weder eine Uterus- noch eine Scheidenanlage. Die Eierstöcke sind vollständig und regelrecht ausgebildet, so dass die Entwicklung der sekundären Geschlechtsmerkmale (Brust und Schambehaarung) nicht beinträchtigt ist und altersentsprechend verläuft.

Äußerlich unterscheidet sich eine Patientin mit CAIS vom Mayer-Rokitansky-Küster-Hauser Syndrom meist durch die Körperhöhe (>170cm) sowie eine fehlende Achsel- und Schambehaarung ("hairless-woman").

Dem Androgeninsensivitäts-Syndrom liegt ein Defekt des Androgenrezeptors (Rezeptor für männliche Hormone) zugrunde. Der Genotyp der Patientinnen ist männlich (XY) und in der Embryonalentwicklung bilden sich Hoden aus. Diese bilden Androgene (männliche Hormone), die aber aufgrund des Rezeptordefekt an den Erfolgsorganen nicht wirken können, so dass sich die äußeren Geschlechtsanlagen weiblich ausbilden. Die Mädchen haben jedoch keine Gebärmutter und es findet sich keine oder eine ungenügend lange Scheidenanlage. Die XY-Mädchen werden meist erst durch die fehlende Regelblutung auffällig und sind als normale Mädchen aufgewachsen.

Die operative Anlage einer Scheide (Neovagina) bei Vaginalatresie ist möglich. Der Zeitpunkt für die Durchführung eines solchen Eingriffs wird mit den Mädchen zusammen individuell festgelegt. Fehlt die Scheide nicht vollständig sondern ist ungenügend lang angelegt, kann auch eine nichtoperative Therapie mittels Dehnung ausreichend sein.

Fehlbildungen der Gebärmutter (Uterus)

Uterine Fehlbildungen, wie Uterussepten oder Doppelfehlbildungen des Uterus, werden häufig erst in der reproduktiven Lebensphase bei unerfülltem Kinderwunsch oder gehäuften Aborten festgestellt.
In der Kinder- und Jugendsprechstunde werden uterine Fehlbildungen meist als Zusatzbefunde diagnostiziert.

Die Probleme dieser Patientinnen betreffen meist nicht das Kinder- und Jugendalter, sondern die eventuell ausbleibende oder nicht austragbare Schwangerschaft als Erwachsene.